10 Schritte, um die Goldene Regel zu üben

Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst – so lautet die Goldene Regel.

Dieser Artikel richtet sich an Alle, die für nachfolgende Generationen Verantwortung übernehmen wollen. Sei es als Mutter oder Vater, als Pädagogin oder Pädagoge oder als Glied einer Gemeinschaft, die jungen Menschen eine neue, bessere, friedvolle Art des Zusammenlebens und Miteinanders vorleben wollen. Wir sollten uns bewusst werden, dass es darauf ankommt, dass wir selbst der Wandel sind, den wir uns auf der Erde wünschen. Es kommt also auf jede und jeden Einzelnen an. Die Pädagogik der Zukunft wird in erster Linie eine Pädagogik sein, die auf der Vorbildfunktion der Begleiter*innen beruht und nicht auf irgendwelchen Titeln.

Wenn wir eine bessere, gerechtere, friedvolle Erde mitgestalten wollen, dann brauchen wir vor allem eine „innere Revolution“. Die „innere Revolution“ bedeutet, sich zu reflektieren, an sich selbst zu arbeiten, sich selbst zu verändern und so einen inneren Wandel zu vollziehen, der sich dann auch im Äußeren zeigt. Die Goldene Regel, an der wir uns in der Bildung zum Schutz der Erde orientieren und die wir auch auf unseren Umgang mit Tieren und Natur beziehen, ist dafür ein wundervolles Angebot. Ich lade dich mit diesem Artikel ein, selbst Erfahrungen mit der Anwendung dieser Goldenen Regel zu sammeln:


Andere so zu behandeln, wie du von ihnen behandelt werden willst, bedeutet natürlich nicht, dass du das, was du tust, mit der Erwartung tust, dass man es dir dann auch tut. Was du tust, solltest du als Dienst in Dankbarkeit für alles sehen, was du selbst im Leben geschenkt bekommen hast – als selbstloses Geschenk, ohne Erwartung einer Gegenleistung.

Was heißt das nun jedoch genau für deinen Alltag, sei es in deiner Familie, in deinem pädagogischen Wirkungsfeld oder in einer Gemeinschaft?

Alle nachfolgenden Vorschläge, die auf eigener Erfahrung und Umsetzung beruhen, kannst du als challenges – als Herausforderungen – ansehen, die du dir vornehmen kannst. Du kannst sie einen Tag, eine Woche, einen Monat lang üben, um Erfahrungen darin zu sammeln. Reflektiere am besten jeden Abend, was dir schon gelungen ist, worüber du dich freust und dankbar bist sowie das, was noch nicht oder weniger gelungen ist und was du dir für weitere Tage erneut vornimmst. Notiere dies in deinem Tagebuch. So kannst du deine Fortschritte verfolgen und dich daran erfreuen. Insbesondere dann, wenn du mal niedergeschlagen sein solltest, kann dir das, was du schon gut gemacht und notiert hast, neuen Mut und Zuversicht geben:

1. Lebe die Freude am Geben vor

Je freier du von Erwartungen an deine Mitmenschen, je freier du von Vorwürfen und Schuldzuweisungen wirst, je dankbarer du für jede Kleinigkeit wirst, die dir das Leben schenkt, umso freudiger wirst du geben. Bei den von mir geleiteten Kinder- und Jugendprojekten sowie bei Seminaren mit Erwachsenen brauchen wir keine starren Pläne, um „Dienste“ angeblich gerecht zu verteilen. Wir vertrauen stets darauf, dass alle Beteiligten ihren Teil zum gemeinschaftlichen Leben gerne und freudig einbringen werden, wenn wir dies selbst vorleben. Und das funktioniert!

In einem Jahr saßen z.B. jeden Morgen um 7 Uhr zwei Kinder bereits vor der Tür, wenn die erwachsenen Teamer*innen mit dem Frühstücksdienst begannen. Sie freuten sich darauf, mithelfen zu dürfen! Im darauf folgenden Jahr wollte einer der beiden, der zwischenzeitlich 14 Jahre alt war, Betreuer in unserem Team werden. Er kannte sich in allem, was die Küche anbetraf, bestens aus und übernahm freiwillig jeden Morgen gemeinsam mit einer*m anderen Betreuer*in den Frühstücksdienst – einfach weil er große Freude daran hatte und es ihm leicht fiel, früh auszustehen.

Wenn wir selbst Mühe haben, früh aufzustehen, um mit Freude zu wirken, dann werden wir wohl peinlich genau darauf achten, einen solchen „unangenehmen“ Dienst „gerecht“ unter allen Betreuer*innen aufzuteilen. Aber wir werden uns selbst und anderen dadurch die Chance  nehmen, von Innen heraus – aus der Freude heraus – zu wirken. Die Kinder werden dann spüren, dass wir das, was wir tun, nicht wirklich mit Freude tun. Das wird ihnen kein gutes Vorbild sein. Sie werden sich davon auch nicht angezogen und inspiriert fühlen. Wenn du dich also darin übst, dich selbst tagtäglich zu motivieren, in alles, was du tust, Liebe, Hingabe und Dankbarkeit hineinzulegen, dann wirst du ein immer freudigeres Vorbild für Andere, insbesondere für Kinder werden. Dann werden sie dich fragen, ob sie mithelfen dürfen.

2. Sieh den “Engel” in deinem Mitmenschen

Andere so zu behandeln, wie du von ihnen behandelt werden willst, das heißt vor allem: Sieh in deinem Kind, in den Kindern die dir anvertraut sind, ja sieh in jedem Menschen das Gute. Sieh das, was in ihnen angelegt ist, auch wenn es vielleicht noch nicht für Alle sichtbar ist. Glaube an das Gute, an das scheinbar Unmögliche in Allem und in Allen.

Das heißt konkret: Wenn ein Kind eine bestimmte Verantwortung übernehmen will, gib’ ihm die Chance und das Vertrauen, sich zu erproben. Glaube an es und unterstütze es, wenn es dabei Hilfe braucht. Wenn du ihm sagst: „Dazu bist du noch zu klein“, „das kannst du nicht“, dann wird sich dies unter Umständen bei ihm einprägen. Den Engel im Kind – oder generell in deinem Nächsten – zu sehen, das heißt, dass du auf das Innerste, das Gute, das Göttliche schaust und es bejahst – nicht nur in Worten, sondern auch in Gedanken.

Wer von anderen gesagt bekommt, „du bist unsportlich“, „du bist dumm“, „du bist soundso“, glaubt das unter Umständen selbst und leidet möglicherweise ein Leben lang an derartigen Falschprogrammierungen. Vielleicht sagst du jetzt: „Das ist doch klar, das weiß ich schon lange“. Doch wie sieht es in deinen Gedanken und Gefühlen aus? Wertest du wirklich keinen Menschen mehr ab, grenzt ihn aus, lässt ihn links liegen, denkst schlecht über ihn?

Übung macht den Meister! Wenn du deinen Tag bewusst lebst, dir täglich aufs Neue das Ziel vornimmst, das Gute, den positiven Kern, in Allem und Allen zu sehen, zu bejahen und zu bestärken, dann wird es dir auch immer besser gelingen.

3. Kinder brauchen Führung – fördere Gruppenzusammenhalt

Freies Spielen ist für Kinder sehr wichtig. Sie können sich auch selbst organisieren und selbst beschäftigen. Das sollten wir fördern und Rahmenbedingungen dafür schaffen. Aber die meisten Kinder sind überfordert darin, selbst eine Gemeinschaft zu bilden und als größere Gruppe auf die Bedürfnisse aller einzugehen. Auch Erwachsene achten ja nicht immer darauf, dass alle glücklich sind und es allen gut geht, sondern kreisen oftmals nur um sich selbst und ihre kleinen, persönlichen Belange.

Wenn du eine Gruppe von Kindern begleiten und fördern willst, dann überlege dir, wie du ihr Zusammenwachsen, ihr Wir-Gefühl, ihre Gemeinschaftsbildung unterstützen kannst. Manchmal können dies kleine, einfache Dinge sein, z.B. ein Lagerfeuer mit Stockbrotbacken, denn Feuer begeistert alle Kinder. Feuer bildet oftmals den Ort, wo wir Menschen uns im Kreis zusammenfinden. Gemeinsame Lieder, gemeinsame kooperative Spiele, ein Kinderrat oder gemeinschaftliches Wirken schafft – wie bei Erwachsenen auch – das Gefühl der Verbundenheit. Wenn wir Kinder in diesem Sinne begleiten, dann bedeutet dies Führung. Kinder brauchen Führung, die von Innen, von Herzen kommt. Diese fühlt sich weich und liebevoll an, nicht hart. Behandle sie so, wie du ebenfalls gerne behandelt werden willst – mit Liebe, Verständnis, Geduld und Respekt.

4. Übe dich darin, von Innen heraus leben

In den von mir geleiteten Projekten der Mitweltbildung probieren wir immer wieder eine faszinierende Übung aus – die Vogelschwarmübung.

Dabei stellen wir uns im Kreis auf und schließen die Augen. Jede Person soll nun eine Zahl sagen: Dann, wenn sie von Innen her spürt, dass sie „dran“ ist.

Eine Person beginnt mit der Zahl 1, eine andere Person aus dem Kreis – außer die beiden Nachbarn der Person, die die Zahl gesagt hat, nennt die nächste Zahl. Und so weiter, bis z.B. bei 21 Personen die Zahl 21 erreicht ist. Nennen zwei Personen gleichzeitig eine Zahl oder setzt ein linker oder rechter Nachbar die Zahlenansage einer Person fort, dann muss die Gruppe wieder von Vorne beginnen. Wenn eine Gruppe gut harmoniert, funktioniert das!

Utopie einer inneren Gemeinschaft
Wenden wir diese Erfahrung auf unser Leben an, dann steckt darin eine wundervolle Utopie: Wie könnte eine Gesellschaft aussehen, in der JedeR das tut und einbringt, was er oder sie im Inneren spürt? In der alle von Innen her spüren, was gerecht ist und sich einbringen, um Dienste zu übernehmen, weil sie sich von Innen her dafür be- bzw. gerufen fühlen? Dann bräuchten wir kein Geld, keinen Tausch, keine Bürokratie mehr.

Wie großartig könnte auch schon heute das Zusammenwirken in einer Gemeinschaft sein, wenn wir im Sinne der genannten Utopie uns darum bemühen, von Innen heraus zu leben? Unser individuelles Potential sowie das der Gruppe würden sich vervielfachen.

Wenn dich diese Utopie begeistert, dann bemühe dich, von Innen heraus zu leben, zu spüren, wann du „dran“ bist, einen Impuls in eine Gruppe einzubringen, deine Hilfe anzubieten, etwas zu sagen, wenn du etwas zu sagen hast…

Übe dich darin, von Innen heraus zu leben
Oftmals hindern uns unsere negativen Selbstbilder daran, dies zu tun. Wir haben Angst, uns zu blamieren, nicht gut reden zu können oder wir haben Angst davor, dass das, was wir einbringen, von anderen abgelehnt wird. Es kann auch sein, dass wir uns in eine Gruppe mit unseren Talenten und Fähigkeiten deshalb nicht einbringen, weil wir gar nicht im Hier und Jetzt, im Augenblick, leben. Stattdessen liegen wir gedanklich im Streit mit Mitmenschen, sinnieren über Probleme  oder sind mit uns selbst beschäftigt.

Wenn du dich also selbst darin übst, tagtäglich von Innen heraus zu leben, dann wird es dir wahrscheinlich nicht sofort gelingen. Doch du kannst dich in jedem Fall selbst erkennen und daraus lernen, sodass es dir im Laufe deines Lebens immer besser gelingen wird. Dann kannst du auch Kinder darin begleiten, aus ihrem Inneren heraus zu leben und zu wirken. Methoden dafür, die du in dem Handbuch „Das Erdschützerprojekt – Pädagogik für eine lebenswerte, friedliche Zukunft“ nachlesen kannst, insbesondere etliche naturpädagogische Methoden, können dir dabei sehr hilfreich sein.

5. Übe keinen Druck aus, sondern strahle Liebe, Geduld und den Glauben an das Gute aus

Jede Gruppe muss sich erst einmal als Gruppe finden und ihre Regeln des Zusammenlebens klären. Dazu gehört gegenseitiger Respekt, gegenseitige Achtung, einander zuhören, sich Ausreden lassen und vieles mehr. Gleichgültig, ob du es mit Kindern oder mit einer Gruppe Erwachsener zu tun hast, – die meisten Menschen müssen das lernen. Wir Menschen sind in unseren Köpfen meist so laut, so zerstreut, so in unserer eigenen Welt…

Kinder tragen oft so viel Lebendigkeit und Kraft in sich, die sie nirgendwohin positiv lenken können. So kann es sein, dass du immer wieder darum kämpfen musst, dir selbst und Anderen, die in der Gruppe etwas sagen wollen, Gehör zu verschaffen. Das kann viel Kraft und Nerven kosten.

Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung weiß ich jedoch, dass die allermeisten Beteiligten dich als Begleiter*in nicht böswillig missachten, dazwischen reden, einander ablenken, sich nicht konzentrieren oder vereinbarte Regeln missachten. Sie vergessen es einfach im Moment. Wenn wir uns als Leitende ehrlich anschauen, können wir uns zunächst selbst fragen, ob wir nicht ähnlich sind. Reagieren wir nicht auch manchmal ähnlich und respektieren die innere oder äußere Ordnung nicht? Wenn uns das bewusst wird, dann werden wir Verständnis für eine Gruppe haben, seien es Kinder oder Erwachsene. Dann wirst du nicht mit Härte, Schreien, Toben, Druck oder Ärger reagieren, sondern mit Geduld und Nachsicht.

Gong, Klangschale oder Ähnliches als Hilfsmittel
Bei unseren Kinder- oder Erwachsenengruppen hilft es, wenn wir einen Gong schlagen. Da wir das normalerweise nicht dabei haben, verwenden wir einfach einen Topfdeckel, eine Klangschale, Glasschale oder Ähnliches. Es ist ein großartiges Gefühl, wenn der Lärmpegel langsam, in ähnlichem Maße wie die Schwingung des Klangs, immer leiser wird und dann zur Stille führt. Oder wir vereinbaren mit den Kindern, dass wir, wenn es zu laut wird, den „Redefuchs“ anzeigen. Wenn andere diesen sehen, ihn ebenfalls anzeigen, dann werden sich Schritt für Schritt alle anschließen. Übe dich also in Geduld. Habe Verständnis. Erinnere an das, was ihr euch als Gruppe vorgenommen habt und glaube daran, dass alle das schaffen wollen.  Dann führst du mit Weichheit und Liebe. Dadurch erreichst du viel mehr. Denn Härte, ein „Anschiss“ oder Ähnliches, lässt die Beteiligten nur zusammenzucken, ängstlich werden und unterdrückt ihre Lebendigkeit auch dann, wenn sie eigentlich erwünscht wäre.

6. Lebe im Augenblick

An uns selbst zu arbeiten, bewusst im Tag zu leben, wachsam sein, welche Botschaften ein Tag dir bringt und spüren zu lernen, was Menschen dir „zwischen den Zeilen“ mitteilen, ist eine wichtige Aufgabe. Wir können sie uns Tag für Tag vornehmen, wenn wir einen Bewusstseins- und Bildungswandel voranbringen wollen. Wenn du also mit Jemandem sprichst, kannst du dich selbst beobachten: Hörst du wirklich vom Herzen her zu? Oder bist du in Gedanken gar nicht voll anwesend? Lässt du deine Gedanken hin zu dem Schweifen, was dein*e Gesprächspartner*in in dir an Assoziationen, Erinnerungen und Gefühlen anregt? Oder formulierst du in deinem Kopf bereits die Gegenrede?

Wir können uns jeden Augenblick entscheiden, was wir wollen. Wenn du dich darin übst, wirklich vom Herzen her zuzuhören, dann wirst du immer öfter die Erfahrung machen, dass in dem, was ein Mitmensch sagt, bereits die Lösung, die Antwort, enthalten ist. Meist weiß die Person die Antwort bereits. Wenn du viel Erfahrung in Selbstreflexion gesammelt und das Zuhören vom Herzen her geübt hast, dann kannst du vielen Menschen wichtige Impulse zur Selbsterkenntnis geben, dann, wenn sie dies wünschen.

Sei offen für jegliche Kritik und Anregung
Wenn du eine Gruppe von Kindern oder Erwachsenen leitest, lade ausdrücklich dazu ein, dir ehrliche Rückmeldungen zu geben – denn du kannst daraus nur lernen. Nichts verbindet mehr, schafft Vertrauen und Verbindung, als vorgelebte Kritikfähigkeit. Denn viele Menschen kuschen vor Autoritäten. Sie haben viele Menschen in Leitungspositionen erlebt, die ihnen Angst machen und denen gegenüber sie sich ohnmächtig fühlen. Wenn du dich jedoch täglich in der Selbstreflexion übst, wird dir kaum eine Kritik völlig neu sein, weil du deine Schwachpunkte, an denen du arbeitest, sowieso schon kennst. Wenn du daher einen Fehler sofort zugeben, dich für Kritik bedanken und sofort deine Veränderung einleiten kannst, dann bist du ein*e Meister*in der Selbstreflexion. Durch deine wachsende Wachheit wirst du zu einem Tatmenschen, der die Chancen und Botschaften des Tages erkennt und sofort umsetzt. Insbesondere Kinder- oder Jugendgruppen, aber auch Erwachsenengruppen werden spüren, dass du ihre Ideen, Rückmeldungen und Impulse absolut ernst nimmst, darauf eingehst, sie wertschätzt und sofort in Handlung umsetzt. Das bringt Lebendigkeit und Veränderung in eine Gruppe. Es regt auch alle Beteiligten an, in ähnlicher Weise flexibel und bereit zu sein, Neues auszuprobieren. Und genau eine solche Einstellung sollten wir fördern, wenn wir zum Wandel auch im Großen auf der Erde beitragen wollen.

7. Achte darauf, Niemanden zu verletzen

Wenn du dich über eine Person, ein Kind oder einen erwachsenen Teilnehmenden aus einer Gruppe, die du begleitest, ärgerst, nimm dich zuerst zurück und schreie nicht gleich deinen Ärger heraus. Das ist gewiss eine der schwierigsten Übungen und sie gelingt mir auch noch nicht immer. Wenn ich merke, dass ich verärgert bin und in Wallung gerate, dann weiß ich immer öfter, dass es wenig bringen wird, aus dieser Emotion heraus Kritik zu äußern. Denn dein Gegenüber spürt die aggressive, kriegerische Energie, selbst wenn deine Wort schön verpackt sein sollten. Wenn du aus der Emotion heraus Verletzendes gesagt hast, entschuldige dich dafür – auch und insbesondere bei Kindern. Da du größer, stärker und mächtiger bist, kannst du durch deine ungezügelte Aggression schwere Wunden verursachen. Wenn du etwas an einer Person kritisierst, sprich es über das Positive an. Rede von dir, was du fühlst, aber verurteile Andere nicht, indem du z.B. sagst: „du bist immer so egoistisch“, „du willst immer alles bestimmen“ usw. Sprich eher „es verletzt mich, dass…, es macht mich traurig, dass…, ich fühle mich nicht wohl, wenn…“ Solche Ich-Botschaften lassen dem Gegenüber die Freiheit, sie anzunehmen oder auch nicht.

8. Trainiere Konfliktlösungen durch Erkennen und Überwindung des eigenen Anteils

In Kinder- und Jugendgruppen, in deinem pädagogischen Team, in einer Gemeinschaft – überall wird es auch Konflikte geben, die wir nicht nach „Schema F“ lösen können. Auch hier zählt dein persönliches Vorbild. Wenn du das Ziel vor Augen hast, zu einer friedlichen, gerechten Erde beizutragen, dann kannst du jeden Konflikt als Übungsfeld ansehen. Gelingt es dir, bei den Konflikten, in die du verstrickt bist, friedliche Lösungen zu finden, dann sammelst du dadurch Selbsterfahrungen. Damit kannst du Anderen intuitiv helfen, ihre Konflikte zu bearbeiten, wenn sie das wollen. Du brauchst dafür keinen Kurs in Gewaltfreier Kommunikation absolviert haben. Dass Wichtigste ist, dass du selbst Erfahrungen gesammelt, dich selbst tiefer erkannt und analysiert hast, dich von Herzen entschuldigt bzw. vergeben und wieder gut gemacht hast, was du wiedergutmachen kannst.

Es gibt keine "schlechten" Erfahrungen, sondern nur "unverarbeitete"
Solange du auch nur eine Erfahrung in deinem Leben als „schlecht“ verbuchst, dich innerlich von einem Mitmenschen trennst, ihm nicht verzeihst, also im Unreinen mit ihm lebst, wird sich dies auf alle deine anderen Lebensbereiche auswirken. Irgendwann und irgendwie werden die Punkte von anderen Menschen wieder angetriggert werden und alte Verletzungen kommen hoch. Durch deine tagtägliche Übung machst du dich fit in punkto Konfliktfähigkeit. Du wirst daher für Beispiele, wie ich sie nachfolgend beschrieben habe, situationsorientiert und intuitiv Lösungen finden, um anderen als Streitschlichter*in zu helfen:

Bei einem Schulprojekt mit Kindern einer Förderschule, die alle recht wenig Selbstbewusstsein hatten, ereignete sich am ersten Tag folgendes: Yusuf (Name geändert), ein türkischer Junge und der stärkste und größte der Gruppe, wurde von anderen Jungen durch Ausdrücke provoziert. Extrem wütend ging er mit einem Messer auf sie los und verfolgte sie, die wegrannten, bis in den Wald. Der Lehrer, der das mitbekam, nahm ihm das Messer ab und zeigte der Gruppe klare Grenzen auf. Die Stimmung war nun auf dem Tiefstpunkt. Betreten stand die gesamte Schulklasse (11 Kinder unterschiedlicher Herkunft und Hautfarbe) in einer Ecke des Geländes. Es wäre unmöglich gewesen, in dieser Stimmung mit unserem Projekt bzw. mit Achtsamkeitsübungen in der Natur o. ä. fortzufahren.

Wie du mit derartigen Konflikten konstruktiv umgehen und alle Beteiligte zur Selbstreflexion anregen kannst, lernst du am besten in einem guten Team. In einem guten Team kannst du dich austauschen, ohne dich dafür zu schämen, dass du einmal nicht weiter weißt oder etwas falsch gemacht hast. Einer hilft dem Anderen. Die gemeinsame Schwarmintelligenz ist ein wundervolles Geschenk, das alle Beteiligten zu einer lernenden Gemeinschaft macht. Alle inspirieren sich dabei gegenseitig mit ihren Erfahrungen und den Lösungen, die sie in verschiedensten Situationen gefunden haben. Es ist eine andere Art, gemeinsam zu lernen, als wir sie von Schule und Studium her gewohnt sind. Sie erfordert gegenseitige Wertschätzung, Wohlwollen und Offenheit. Eine solche lernende Gemeinschaft bieten wir mit unserer Erdschützer-Bildungsplattform.

9. Achte die Freiheit deiner Mitmenschen

Du magst es nicht, wenn du unter Druck gesetzt wirst, wenn Menschen dir etwas aufdrängen oder dich zu etwas nötigen wollen, was du eigentlich gar nicht willst. Daher solltest du, wenn du Gruppen leitest, auf deine besondere Verantwortung achten. Denn viele Menschen sind Nachahmer*innen. Sie folgen einem „Herdentrieb“ oder subtilem Gruppendruck, anstatt in sich hineinzuspüren, was für sie wirklich stimmig ist. Viele sind sich auch unsicher, ob sie falsch handeln und trauen sich nicht, zu dem zu stehen, was sie empfinden. Schaffe du daher einen freien Rahmen und Raum, damit sich alle wirklich frei fühlen, öffnen können und sich trauen, alles anzusprechen. Insbesondere, wenn sie sich mit irgendeinem Vorschlag, der in der Gruppe gemacht wird, nicht wohl fühlen. Deine Kritikfähigkeit und dein Vorbild an Konfliktfähigkeit sowie Achtsamkeit sind sehr wichtige Faktoren, um ein solches Wohlfühlklima in einer Gruppe zu fördern und Vertrauen aufzubauen.

 10. Gib keine Antworten auf Fragen, die Kinder nicht gestellt haben

Eigentlich gilt dies nicht nur für Kinder, sondern für alle Menschen, aber für diese ganz besonders, weil du ja ihren Forschergeist, ihre Kreativität, ihren Mut und ihre Freude am Ausprobieren fördern und unterstützen möchtest. Lasse sie also selbst die Lösung für auftauchende Herausforderungen finden. Ein Beispiel:

Bei einer Einkaufsforschertour im Jahr 2006 hatten die beteiligten Kinder die Aufgabe, in kleinen Gruppen zu recherchieren und Zutaten für eine von ihnen selbst gewählte vegetarische Mahlzeit zu suchen. (Anmerkung: Damals war unsere Verpflegung noch parallel vegetarisch und vegan)

Eine Gruppe von vier Jungs hatte vor, Pizza zu backen. Bei einer Einkaufsforschertour sollten sie über die Zutaten, die sie dafür benötigten, alles herausfinden, was sie für ihre Einkaufsentscheidung als wichtig erachteten. Ziel war, die Kompetenz zu erwerben, als kritische Verbraucher den Entstehungsprozess von Lebensmitteln zu hinterfragen und zu recherchieren. Sie lasen die Zutatenlisten und trafen dann ihre Entscheidungen. Aufgrund meiner Rückfragen hatten sie an der Käsetheke von der Verkäuferin erfahren, dass es Käse mit tierischem Lab (aus Kälbermagen) und pflanzlichem Lab gibt. Sie hatten sich entschieden, Käse mit pflanzlichem Lab zu wählen, weil das andere Lab für sie "eklig" klang. Doch kurze Zeit später entdeckten sie Mozzarella, der in Plastikbeutel verpackt war, auf dem nicht stand, ob er mit pflanzlichem oder tierischem Lab hergestellt wurde. Die Verkäuferin konnte ihnen diese Frage auch nicht beantworten. Sie kamen daher wieder zu mir und fragten, was sie nun tun sollten. „Okay“, antwortete ich und lächelte verschmitzt, „was würden denn wohl echte Detektive in einem solchen Fall tun?“ Sie beratschlagten sich kurz. Dann riefen sie: „Da müssen wir die Firma anrufen!“ „Gute Idee“, antwortete ich, „dann fragt doch mal die Verkäuferin, ob ihr das tun dürft.“ Das taten sie und die freundliche Verkäuferin ermöglichte es ihnen. Sie erfuhren, dass der Mozzarella mit pflanzlichem Lab hergestellt war. Sie waren sehr stolz auf sich, dass sie dies selbst herausgefunden hatten, vor allem der Junge, der sich getraut hatte, die Firma anzurufen. Er freute sich so sehr über dieses Erlebnis, dass er nach dem Projekt einen Artikel in der Schülerzeitung darüber verfasste.

Das waren einige Beispiele, wie du die Anwendung der Goldenen Regel in deinen Alltag einbauen, sie trainieren und dadurch zum Vorbild für Andere werden kannst. Die Beispiele zeigen dir auch, wie wichtig es ist, dich zur Vorbildpädagogin bzw. zum Vorbildpädagogen zu entwickeln, wenn du Bildung zum Schutz der Erde bzw. Mitweltbildung praktizieren willst. Denn was nützt es, wenn du Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen „Wissen vermittelst“, das du selbst nicht lebst? Was nützt es, wenn du „nachhaltig predigst“, es aber eine starke Diskrepanz zwischen deinem Wissen und Tun gibt? Wen soll das begeistern?

Die Erfahrung in unserer Projektarbeit zeigt: Nichts wirkt stärker, als dein persönliches Vorbild und aus deiner gelebten Erfahrung erzählten Beispiele. Denn damit lässt du gleichzeitig allen Beteiligten immer auch die Freiheit, sich an deinem Vorbild zu orientieren oder auch nicht.

Bildung zum Schutz der Erde  ist in erster Linie Vorbildpädagogik, die sich an der Goldenen Regel orientiert.

Wenn du mehr derartige Inspirationen gewinnen willst, dann melde dich gleich zum nächsten Gratisseminar an.

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