Sicher kennst du das: eine Gruppe Menschen trifft sich das erste Mal. Einige kennen sich, andere noch nicht. Egal, ob es sich um Kinder, Jugendliche oder Erwachsene handelt – dieser Moment des ersten Zusammentreffens kann Unsicherheit auslösen. Wer sind die anderen? Wie wirke ich auf sie? Wie ist mein erster Eindruck von ihnen? Bin ich hier in einer sicheren Umgebung?
In dieser ersten sensiblen Phase einer Gruppenfindung ist es schön, Methoden an der Hand zu haben, mit denen sich „das Eis brechen“ lässt. Es gibt unzählige solcher Eisbrecher Methoden und, ganz ehrlich, nicht mit allen diesen Methoden fühlen sich auch alle Menschen wohl.
Was wir erreichen wollen, ist erst einmal: Die sich vorher fremden Menschen nähern sich an, spüren zunehmend mehr Verbindung und dadurch Freude am Zusammensein und Sicherheit. Wer sich sicher fühlt, kann sich öffnen und hat Vertrauen, einfach authentisch da sein zu dürfen.
Ich möchte euch hier von einer Methode erzählen, die sich wunderbar als Kennenlernmethode für ganz unterschiedliche Gruppen einsetzen lässt. Darüber hinaus lassen sich durch Abwandlungen auch noch ganz andere Ziele erreichen.
Ich nenne sie „Das unsichtbare Netz“.
Variante 1: Zum Kennenlernen
Zeit: Je nach Gruppengröße und Ausführlichkeit 10- 30 Minuten
Material: Wollknäuel
Ich lade die Gruppe ein, sich in einen Kreis zu stellen, sodass sich alle sehen können. Nun beginne ich, ein paar Dinge über mich zu erzählen, sodass die anderen mich kennenlernen können.
Ich sage zum Beispiel etwas wie:„Hallo, ich heiße Hanna und ich wohne direkt hier im Ort in einem Tiny House. Ich bin sehr gerne draußen in der Natur und tanke dort viel Kraft. Ich ernte gerne Wildkräuter und stelle verschiedene Dinge aus ihnen her. Außerdem liebe ich es zu gärtnern und mit leckerem Gemüse zu kochen.“ Ich halte es kurz und wesentlich.
Nun werfe ich das Wollknäuel zu einem der anderen Menschen im Kreis. Vielleicht finde ich schon jetzt eine Verbindung zu diesem Menschen – z.B. „Ich werfe das Wollknäuel zu Lena – uns verbindet, dass wir im selben Ort wohnen“ oder „Ich werfe das Wollknäuel zu Olli – uns verbindet, dass wir beide Menschen sind und dieselbe Luft ein- und ausatmen.“
Ich bitte diese Person, auch etwas über sich zu erzählen und dabei gerne Verbindungen zu finden – zum Beispiel an dem anzuknüpfen, was ich eben über mich erzählt habe.
Lena könnte nun sagen „Hallo zusammen, ich bin Lena, und mit Hanna verbindet mich nicht nur, dass wir im selben Ort wohnen – ich interessiere mich ebenfalls für Wildkräuter und habe sogar vor kurzem eine Ausbildung zur Kräuterpädagogin begonnen. Was gibt es noch interessantes über mich? Ich schwimme sehr gerne und bin eine richtige Wasserratte. Ich arbeite in einem Naturkindergarten mit Kindern von 3 bis 6 Jahren“ usw. Dann wirft sie das Wollknäuel zu einer nächsten Person und benennt bereits eine erste Verbindung zu ihr. Selbst wer sich noch gar nicht kennt, findet mit etwas Kreativität eine erste Verbindung oder Gemeinsamkeit.
So wandert das Wollknäuel kreuz und quer durch den Kreis und es werden immer mehr Verbindungen gefunden. Schön ist es, wenn Menschen ein Handzeichen geben können, wenn sie spontan eine Verbindung sehen – so kann das Wollknäuel direkt zu ihnen geworfen werden und sie können etwas dazu sagen.
Ich als Anleiterin der Methode achte darauf, dass alle im Kreis mindestens einmal etwas über sich erzählen können und dass wir die eingeplante Zeit einhalten. Ansonsten kann ich einfach mitmachen.
Erfahrungsgemäß bietet diese Methode einer Gruppe die Möglichkeit, sich schon direkt am Anfang tiefer zu verbinden und schafft viele Anknüpfungspunkte für weitere Gespräche zwischen den Teilnehmenden. Das Gefühl, sich schon etwas mehr zu kennen und vor allem in einer so vielfältig verbundenen Runde zu sein, gibt Sicherheit und keiert einen Vertrauensraum.
Variante 2: Als Methode der Mitweltbildung
Sehr ähnlich wie die Kennenden-Methode funktioniert das Ganze auch als „Geheimes Netz“, einer Methode der Mitweltbildung. Hier ist das Ziel, die vielfältigen Beziehungen zwischen Lebewesen sichtbar zu machen und dabei das bereits vorhandene Wissen der Gruppe über solche Verbindungen zu aktivieren.
Zeit: Je nach Gruppengröße und Altersgruppe 15 – 30 Minuten
Material: Wollknäuel sowie verschiedene Kärtchen von heimischen Tieren und Pflanzen, am besten zum Umhängen.
Im ersten Schritt verteile ich an jede Person in der Runde ein Kärtchen – sollten sehr kleine Kinder dabei sein (unter 4 Jahren), können sie ein Kärtchen gemeinsam mit ihrer Begleitperson bekommen. Ich kann die Teilnehmenden einladen, sich in dieses Lebewesen hineinzuversetzen – je nach Altersgruppe kann ich dazu z.B. auch eine kleine Fantasiereise, einen Zauberspruch oder auch den Zauberstein aus dem Erdschützer Ausbildungsmodul „Der Zauberstein“ nutzen.
Ich erkläre, dass unser Ziel ist, gemeinsam das „Netz des Lebens“, das normalerweise unsichtbar ist, sichtbar zu machen. Dazu dient uns wieder unser Wollknäuel. Jeder Faden steht für eine Beziehung der Lebewesen untereinander. Ich beginne wieder das Spiel, indem ich mich als Lebewesen kurz vorstelle. Sollte ich z.B. die Fledermaus sein, kann ich nun ein paar Dinge über mich sagen, die mich auszeichnen. „Ich bin die Fledermaus und mich zeichnet aus, dass ich gut fliegen kann. Ich schlafe tagsüber und bin nachts aktiv. Mit meinen großen Ohren kann ich sehr gut hören – sogar Töne, die die Menschen gar nicht wahrnehmen können.“ Dann werfe ich zu einem anderen Lebewesen in der Runde, zu dem ich eine Verbindung habe. Beispiel: „Ich habe eine Verbindung zur Motte, weil ich sie gerne fresse.“ Oder „Ich habe eine Verbindung zum Baum, weil ich mich in Rindenspalten oder Baumhöhlen gut zum Schlafen oder Überwintern zurückziehen kann“.
So geht es weiter, ähnlich wie bei der Variante 1 als Kennenlernspiel – nur dass alle Teilnehmenden nun aus ihrer Rolle eines anderen Lebewesens heraus sprechen. Je nach Altersgruppe und Vorwissen können alle in der Runde mithelfen, mögliche Verbindungen herauszufinden. Auch der Mensch sollte übrigens in der Runde vertreten sein. Es kann durchaus sein, dass zu vielen Lebewesen mehrere Verbindungen gefunden werden. So wird nach und nach das „Netz des Lebens“ sichtbar.
Am Ende des Spiels ist es gut, das Wissen und die Zusammenarbeit der Gruppe noch einmal zu würdigen. Man kann mit dem Netz auch noch weiterarbeiten, indem z.B. ein oder mehrere Lebewesen im Spiel aussterben, das heißt sich hinhocken und ihre Fäden loslassen. Die Gruppe kann dann beschreiben, wie sich das auf das Netz des Lebens auswirkt.
Fazit:
Ich habe beide Varianten der Methode erprobt in Runden mit Erwachsenen und Kindern und fand sie sehr verbindend, leicht zu erklären und umzusetzen und sowohl visuell als auch haptisch ansprechend, gerade für die Kinder.
Ich würde mich sehr freuen, auch mit euch in Verbindung zu kommen und von euch zu erfahren, ob ihr die Methode ebenfalls ausprobiert habt, und wenn ja in welcher Gruppe und wie eure Erfahrung damit war. Vielleicht habt ihr auch eine weitere Variante erfunden… Also, schreibt uns gerne und lasst uns teilhaben.
In Verbundenheit zu allen,
Hanna