…und lerne, Potentialentfaltungsprozesse zu fördern
In der Agenda 21 / Kapitel 36 heißt es:
„Bildung/Erziehung einschließlich formaler Bildung, öffentlicher Bewusstseinsbildung und beruflicher Ausbildung sind als ein Prozess zu sehen, mit dessen Hilfe die Menschen als Einzelpersonen und die Gesellschaft als Ganzes ihr Potential voll ausschöpfen können.“
Wer will das nicht? Wer möchte nicht sein ganzes Potential, das in ihm schlummert, ausschöpfen? Was hindert Dich persönlich daran? Wie schaffst Du es, Dein ganzes Potential mehr auszuschöpfen und anderen Menschen, die das ebenfalls wollen, dabei zu helfen?
Darum soll es in diesem Beitrag gehen. Denn Mitweltbildung, wie wir sie verstehen, kann dazu einen wesentlichen und wichtigen Beitrag leisten. Was der Unterschied zwischen Umweltbildung und Mitweltbildung ist, erfährst Du in diesem Artikel.
Mitweltbildung sieht einen Bildungswandel als eine grundlegende Voraussetzung an, damit Menschen ihr Potential voll ausschöpfen können. Denn die herkömmlichen, hierarchischen, auf Zwang (Schulpflicht) beruhenden Strukturen schulischer Bildung erlauben beispielsweise weder freiwilliges, selbstbestimmtes Lernen, noch eine echte Partizipation im Sinne gelebter Basisdemokratie. In den herkömmlichen Bildungsstrukturen wird die Förderung von Empathie, Mitgefühl, von tiefen Beziehungen zu Natur, Tieren und Mitmenschen als Nebensache behandelt, die keine oder nur sehr geringe Relevanz hat. In herkömmlichen Bildungsstrukturen lernen junge Menschen, sich an bestehende Strukturen anzupassen, sie als unveränderbar zu akzeptieren und Dinge zu lernen, in denen sie oft eigentlich keinen Sinn sehen. Mitweltbildung sieht sich hier als ganzheitliches Bildungsangebot, denn sie will förderliche Bedingungen für Bildungsprozesse schaffen, die es dem Einzelnen ermöglichen, auf der Basis von Freiwilligkeit,
- sein Denken, Fühlen und Handeln zu reflektieren,
- zu erkennen, inwiefern er selbst Teil der Probleme der Erde ist, aber auch Teil der Lösung sein kann,
- eigene Ängste, Abhängigkeiten, Denkschranken und Fehlhalten, die eine Entfaltung seines vollen Potentials behindern, zu erkennen und zu überwinden
und so aus innerer Motivation freiwillig Verantwortung für sein eigenes Leben sowie für das Wohlergehen aller Lebewesen auf diesem Planeten zu übernehmen.
Wenn Du Dich zu einem Coach für Potentialentfaltungsprozesse entwickeln willst, solltest Du Dir zunächst einmal die Fragen stellen:
- Inwieweit hast Du Dein Potential voll ausgeschöpft?
- Was heißt das für Dich überhaupt?
- Woran kannst Du erkennen, ob Du Dein Potential zumindest in größerem Maße ausgeschöpft hast, als das für die Masse der Menschen der Fall ist?
Nur wenn Du in diesem Sinne Vorbild bist, kennst Du den Weg, wie Du auch bei anderen Potentialentfaltungsprozesse fördern kannst. Dann kannst Du auch entsprechende Rahmenbedingungen für solche Prozesse schaffen.

Rahmenbedingungen für Potentialentfaltungsprozesse schaffen – wie geht das? Lies dazu Miras Bericht, den Du durch Klicken auf das Foto herunterladen kannst.
Die folgenden Fragen können Dir eine Hilfe sein, um Dich selbst zu reflektieren:
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Hierarchieabbau
Hierarchische Strukturen behindern die Entfaltung des vollen Potentials der Menschen, weil diese sich darin als Chefs und Untergebene, als Leitende und Teilnehmende, ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen, als LehrerInnen und SchülerInnen / Studierende definieren. Auch wenn Strukturen offiziell „hierarchiefrei“ sind, heißt das noch lange nicht, dass die Beteiligten sich auch so begegnen (siehe hierzu den Artikel: „Hierachiefreier lernen, leben und wirken“). Wenn Du selbst in hierarchische Strukturen eingebunden bist, kannst Du Dich fragen:
- Traust Du Dich, alles zu sagen, alles einzubringen, was Du für das Team / die Gruppe / die Gemeinschaft für wichtig erachtest?
- Traust Du Dich, ganz Du selbst zu sein oder trägst Du noch eine Maske, hinter der Du Deine wahren Gefühle, Empfindungen und Ängste versteckst?
- Übernimmst Du Verantwortung für den Team-, Gruppen- oder Gemeinschaftsprozess, indem Du Deine Empfindungen, Gefühle, Gedanken und Impulse, mit denen Du anderen sowie der Gruppe helfen kannst, einbringst?
- Hältst Du Dich selbst für wichtig, für genauso wichtig, wie die Seminarleitung / die Lehrkraft / die Unternehmensleitung? Wenn ja, woran zeigt sich das?
- Wenn Du selbst eine Leitungsrolle innehast:
- Bist Du jederzeit flexibel und bereit, auf die Rückmeldungen sowie die Kritik der Mitbeteiligten einzugehen?
- Bist Du lernfreudig und dankbar für jegliche Kritik?
- Bist Du so reflektiert, dass Du aus den Impulsen der Mitbeteiligten, aus den Impulsen des Tages sofort lernen und spontan Veränderungen einleiten kannst?
Wenn Du selbst Deine Schritte in dieser Hinsicht getan hast, kannst Du auch Rahmenbedingungen mitgestalten, in denen Menschen sich auf Augenhöhe begegnen und dadurch Talente und Fähigkeiten zum Vorschein bringen, die ihnen zuvor möglicherweise noch gar nicht so bewusst waren. Alle Beteiligten lernen in solchen Rahmenbedingungen viel schneller und intensiver dazu und können über sich hinauswachsen, weil sie sich nicht mehr durch ihre Rollen sowie das mit diesen Rollen erwartete Verhalten definieren.
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Freiwilligkeit
Die meisten Menschen sind in Strukturen eingebunden, die nicht auf völliger Freiwilligkeit beruhen (Schule, Uni, Arbeitsstelle…). Selbst Menschen, die einen Freiwilligendienst leisten oder die FreiberuflerInnen sind, sind nicht so frei, dass sie alles, was sie tun, mit ganzem Herzen, aus Freude und Begeisterung tun. Du kannst Dich also selbstkritisch in jedem Augenblick fragen:
- Würdest Du das, was Du tust, auch dann tun,
- wenn es absolut freiwillig wäre,
- wenn keine Schulpflicht bestünde,
- wenn Geld keine Rolle spielen und Dein Lebensunterhalt lebenslänglich gesichert wäre,
- wenn Du keine Prüfungen absolvieren müsstest, weil Du keinen Titel, kein Zertifikat, keine Bestätigung von Anderen bräuchtest, um das zu tun, was Du aus innerer Freude, Verantwortung und Berufung tun möchtest?
- Bist Du willens, dich selbst so zu entwickeln, dass Du Dir freiwillig alles, was für die Ausübung Deines Berufs nötig ist, aneignest und lernst, Dich selbst dafür zu motivieren und zu strukturieren?
Rahmenbedingungen der Freiwilligkeit bieten die großartige Chance, zu spüren, wo Du wirklich stehst, ob Du schon den Pioniergeist in Dir spürst, selbst etwas auf die Beine zu stellen, was Dir ein wichtiges, echtes Herzensanliegen ist, um zu einem positiven Wandel auf der Erde beizutragen. Ein Bewusstseinswandel auf der Erde ist dringend geboten. Menschen ändern sich jedoch nur freiwillig. Unter Rahmenbedingungen der Freiwilligkeit können Menschen also am besten lernen, eigenständig zu denken, das Bestehende zu hinterfragen, zu spüren, was sie selbst wollen, was ihre Träume für eine lebenswerte Zukunft sind, was sie selbst dazu beitragen können und wollen und vieles mehr. Unter Bedingungen der Freiwilligkeit können wir am besten lernen, auf unser Herz, auf unser inneres Empfinden, zu hören, weil wir uns nicht unter Druck gesetzt und von tatsächlichen oder vermeintlichen äußeren Zwängen eingeschränkt fühlen. Wir haben die Chance, innere und äußere Verantwortung zu übernehmen.
Hier drei Beispiele für Potentialentfaltung bei Kindern – und für freiwilliges Engagement:
Zukunftsvision von zwei elfjährigen Mädchen – komplett selbständig nach einem Ferienprojekt erstellt
Zeitschrift, dessen Inhalt sich Kinder komplett selbständig ausgedacht haben – samt Layouttipps für den Grafiker
Somit bieten Rahmenbedingungen der Freiwilligkeit die Chance, innere Motivation, Eigenverantwortung, Zuverlässigkeit, Hingabe, Beharrlichkeit und vieles mehr zu entwickeln, um auf diese Weise im Äußeren Dinge möglich zu machen, die unmöglich erschienen. Wenn Du Menschen derartige Erfahrungen ermöglichst, dann hilfst Du ihnen, über sich hinauszuwachsen und Selbstwirksamkeit zu erfahren.
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Echte Mitbeteiligung, echte Basisdemokratie
Was und wie viel kannst Du in Deiner aktuellen Situation wirklich mitentscheiden? Kannst Du in der Schule oder Uni mitentscheiden, mit welchen Themen und auf welche Weise Du Dich damit auseinandersetzen willst? Womit bist Du an Deiner Arbeitsstelle unzufrieden? Kannst Du das mit allen Beteiligten in einem basisdemokratischen Prozess verändern? Wenn unsere Lern-, Arbeits- und Lebensbedingungen tatsächlich so wären, wenn Gemeinschaften tatsächlich in der Lage wären, das in den Menschen schlummernde, kreative Potential zum Vorschein zu bringen, dann gäbe es für Vieles oder gar Alles neue, quer gedachte Lösungen, mit denen sich die Beteiligten identifizieren. Denn wer in die Lage gebracht wird, dass er selbst Ideen, kreative Lösungen, Veränderungs- und Verbesserungsvorschläge einbringen kann, die von der Gemeinschaft wertgeschätzt, wohlwollend geprüft, unter Mitbeteiligung aller weiterentwickelt werden, beginnt das Potential, das in ihm schlummert, zu heben. Vielleicht hast Du das auch schon öfter festgestellt: Alle Beteiligten freuen sich riesig, dass sie gemeinsam etwas auf die Beine gestellt haben, wobei sie alle gleichermaßen wichtig waren. Plötzlich sind die Ideen nur so gesprudelt, Begeisterung ist entstanden – und daraus gemeinsame Verantwortung, Tatkraft und vor allem ein gutes, wertschätzendes Miteinander. Wo stehst Du?
- Bringst Du in Seminaren, Gruppen, Teams, der Arbeitsstelle etc. alle Deine Überlegungen, Ideen und Vorschläge ein oder zensierst Du in Deinem Kopf bereits Vieles? Wenn letzteres der Fall sein sollte: Warum tust Du das? Wovor hast du Angst?
- Schätzt Du die Beiträge von Mitbeteiligten gleichermaßen, kannst in allen etwas Positives finden und dies auch wertschätzend zum Ausdruck bringen?
- Wenn Du selbst Gruppen, einen Betrieb oder Seminare leitest:
- Gibst Du den Beteiligten in ausreichendem Maße Räume und Gelegenheiten, damit sie selbst reflektieren und Rückmeldungen geben können?
- Oder ist Dir die gemeinsame Reflexion und Auswertung gar nicht so wichtig, weil Du – möglicherweise unbewusst – gar keine Verbesserungsvorschläge oder Kritik hören und Dich selbst nicht infrage stellen lassen möchtest?
- Sieht Dein Plan (z.B. für ein pädagogisches Angebot, in einer Aktionsgruppe, in einem Team, in einem Seminar, in einem Betrieb…) überhaupt Veränderungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten für die Beteiligten vor?
Echte Mitbeteiligung und echte Basisdemokratie erschöpft sich nicht in der Anwendung äußerer Methoden oder Settings (z.B. Kinderrat, Auswertungsrunde, Rückmeldebogen,…). Am allerwichtigsten ist die ständige Selbstreflexion und Bereitschaft, alle Rückmeldungen, alle Kritik dankbar anzunehmen und daraus zu lernen. Echte Partizipation beruht auf einer inneren, wertschätzenden, partnerschaftlichen Haltung, die immer darum bemüht ist, in allen Menschen das Positive zu suchen und zu sehen. Somit ist dies ein ständiger Lernprozess. Wenn er gelingt, dann führt dies dazu, dass Menschen sich ernst genommen und wertgeschätzt fühlen, dass sie ihre Ängste überwinden, dass dadurch unter Umständen auch unausgesprochene Konflikte an die Oberfläche kommen und bearbeitet werden können und die Stärken, die Kreativität sowie die Talente der Beteiligten in einem Maße zum Vorschein kommen (können), wie sie dies bisher selten oder noch nie erlebt haben.
Vor allem aber können echte Mitbeteiligungsprozesse für alle Beteiligten den Nutzen haben, dass sie einander besser verstehen, dass sie voneinander lernen, sich besser ineinander einfühlen und somit mehr Mitgefühl entwickeln können. Auf diese Weise können die Beteiligten also viel Potential entfalten, das in ihnen schlummert. Sie entdecken z.B., dass sie eine großartige emphatische Fähigkeit (Einfühlungsvermögen) haben, die in Mitbeteiligungsprozessen enorm wichtig ist. In Strukturen, in denen echte Mitbeteiligung nicht gelebt wird, sind derartige Fähigkeiten weniger oder gar nicht wichtig – oder wie oft haben wir es erlebt, dass in der Schule, der Uni oder am Arbeitsplatz einmal das Thema besprochen wird, wie wir uns eigentlich fühlen, wie es uns geht und wie bzw. was wir dazu beitragen können, dass sich alle Beteiligten wohler fühlen? Eine Wohlfühlatmosphäre ist aber ganz wesentlich dafür, dass Menschen aus sich heraus gehen, dass sie das in ihnen schlummernde Potential zum Vorschein bringen.
Möglichst freie, selbstbestimmte Bildungsprozesse fördern Potentialentfaltung
Damit Menschen in die Lage versetzt werden, ihr ganzes Potential zu entfalten, brauchen sie also möglichst freie, selbstbestimmte Bildungsprozesse, im Rahmen derer sie
- sich Wissen auf freiwilliger Basis aneignen,
- ihr Gefühle für Mitmenschen, Tiere und Natur vertiefen,
- sich selbst immer besser erkennen und reflektieren lernen,
- angeregt werden, alternative Handlungsmöglichkeiten zu erproben, sich selbst zu verändern, lebenslänglich dazu zu lernen und sich über ihre eigene ethische Orientierung Gedanken zu machen – wenn sie das wollen.
Mitweltbildung will also starke, selbstbewusste Persönlichkeiten fördern, die tolerant, wertschätzend und respektvoll miteinander umgehen. Mitweltbildung will bei Menschen den Mut fördern, Neues zu erproben und dabei immer zu prüfen, ob das, was sie tun, für sie Sinn macht, ob sie bei ihrem Tun Freude und Begeisterung spüren und ob es ihren selbst gesetzten Zielen und Werten entspricht. Mitweltbildung sieht sich in diesem Sinne als Herzensbildung, die Menschen dabei unterstützt, in allem, was sie tun zu reflektieren, ob sie es wirklich gerne, mit Freude und aus Liebe tun, oder ob sie es nur deshalb tun, weil sie vor angeblichen „Sachzwängen“ kapitulieren und somit das, was sie in ihrem Inneren spüren, zudecken und verdrängen. Mitweltbildung will dazu beitragen, dass Menschen zu lebensfrohen, selbstbewussten, starken Persönlichkeiten heranwachsen, die die Fähigkeit haben, sich selbst sowie alle bestehenden Strukturen dahingehend zu reflektieren, ob sie einer freien, selbstverantwortlichen (Potential-)Entfaltung dienen oder nicht.
Du möchtest noch mehr Anregungen erhalten, wie Potentialentfaltungsprozesse gestaltet und gefördert werden können? Dann lies hier den wundervollen Bericht über das Funkenfeuertreffen, den Mira verfasst hat: Bericht als PDF herunterladen
Zum Weiterlesen:
www.akademiefuerpotentialentfaltung.org
http://www.schulen-der-zukunft.org/potenzialentfaltung/
Hast Du Erfahrungen, Ergänzungen, Anregungen, Kritik oder Rückmeldungen zu diesem Thema? Was braucht es Deiner Meinung nach noch, damit Menschen ihr ganzes Potential entfalten? Wir freuen uns auf Deinen Kommentar!